ERP-Strategie: All-in-one oder Best-of-Class – Strategische Weichenstellung für Wohnungsunternehmen
- Cora Grüner

- 5. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft verändert nachhaltig, wie Unternehmen arbeiten und Entscheidungen treffen. Prozesse werden automatisiert, Daten gewinnen strategische Bedeutung, und intelligente Systeme schaffen neue Möglichkeiten für Service, Kommunikation und Effizienz. In diesem Umfeld wird die Auswahl geeigneter Unterstützungssysteme, etwa im Bereich Dokumentenmanagement oder Mieterkommunikation, zu einer zentralen Managementaufgabe. Wer hier methodisch und strategisch vorgeht, kann seine Organisation zukunftsfähig aufstellen und die digitale Weiterentwicklung aktiv gestalten.
Die Anzahl spezialisierter Tools wächst stetig, während gleichzeitig einige wenige große Anbieter mit umfassenden All-in-one-Systemen dominieren. Diese Systeme versprechen eine breite Abdeckung aller Anforderungen, führen jedoch häufig zu einer starken Abhängigkeit von einem einzelnen Systemhaus. Die Konsequenz ist ein eingeschränktes Innovationspotenzial, da Unternehmen nur in dem Tempo weiterentwickelt werden, das der zentrale Anbieter zulässt. Außerdem ist angesichts ihrer dominanten Marktstellung und der zunehmenden Investorenorientierung bei All-in-One-Lösungen in den nächsten Jahren mit steigenden Preisen zu rechnen. Für Wohnungsunternehmen stellt sich daher vermehrt die strategische Frage:
Welche Ziele verfolgt die IT langfristig? Sollen IT-Ressourcen von extern eingekauft oder eigene Kompetenzen aufgebaut werden?
Angesichts tiefgreifender Veränderungen in der Digitalisierung und der steigenden Erwartungen von Mietenden, Verwaltung und Partnern wird Flexibilität zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Ein modernes Wohnungsunternehmen muss in der Lage sein, technologische Fortschritte zu adaptieren. Ein einheitliches Softwaresystem kann hierbei schnell an Grenzen stoßen, insbesondere wenn neue Funktionen nur verzögert oder gar nicht integriert werden.
Statt alle Prozesse in einem einzigen ERP-System abzubilden, wird heute ein modularer Ansatz verfolgt: Ein schlanker ERP-Kern dient als zentrale Datendrehscheibe, um die herum spezialisierte Öko- und Satellitensysteme angebunden werden. Was früher aufgrund fehlender oder komplexer Schnittstellen kaum möglich war, entwickelt sich nun zu einer offenen, flexibel erweiterbaren Lösung. Dieses Best-of-Class-Konzept stärkt nicht nur die Innovationsgeschwindigkeit, sondern reduziert auch das Risiko einer technologischen Sackgasse. Damit verbunden ist eine wachsende Komplexität der IT-Struktur. Dementsprechend erfordert ein solcher Ansatz ein professionelles IT-Management und klare Governance-Strukturen, um Systemkompatibilität, Datensicherheit und Prozessstabilität zu gewährleisten.
IT-Entscheidungen als Organisationsprojekt
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor liegt in der Einbindung des richtigen Teams. IT-Entscheidungen sind heute keine rein technischen Projekte mehr, sondern greifen tief in Arbeitsprozesse und Organisationsstrukturen ein. Deshalb sollten nicht nur IT-Spezialistinnen und -Spezialisten, sondern auch Fachbereiche, Prozessverantwortliche und Key-User frühzeitig beteiligt werden. Sie bringen das notwendige Wissen über Abläufe, Anforderungen und Schnittstellen mit, um ein realistisches Bild der Systemlandschaft zu zeichnen. Gemeinsam müssen Anforderungen gesammelt, priorisiert und an realen Arbeitssituationen gespiegelt werden. Entscheidend ist dabei frühzeitig einzubinden: Wer das Team erst in einer späten Phase hinzuzieht, riskiert Akzeptanzprobleme und Fehlentscheidungen. Frühzeitige Beteiligung hingegen fördert Verständnis, Verantwortungsgefühl und die spätere Identifikation mit der gewählten Lösung.
Eine systematische Herangehensweise an die Auswahl wird durch eine Bewertungsmatrix ermöglicht, die nicht als starre Checkliste, sondern als praxisnahes Entscheidungsinstrument verstanden wird. Ihr Zweck besteht nicht darin, Funktionen abzuhaken, sondern zu prüfen, wie gut ein System konkrete Anwendungsfälle unterstützt. Diese Szenarien machen sichtbar, ob ein Anbieter tatsächlich in der Lage ist, die betrieblichen Anforderungen der Wohnungswirtschaft in der Praxis zu erfüllen. Eine professionell aufgesetzte Bewertungsmatrix berücksichtigt neben funktionalen Kriterien auch Integrationsfähigkeit, Bedienbarkeit, Sicherheit, Skalierbarkeit, Kostenstrukturen und strategische Passung. So entsteht ein realistisches Gesamtbild, das technische Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zukunftssicherheit in Beziehung setzt. Zudem hilft die Matrix, unterschiedliche Perspektiven aus IT, Fachabteilungen und Management zu bündeln und in eine nachvollziehbare Entscheidung zu überführen. Das Ergebnis ist kein theoretischer Vergleich, sondern eine belastbare Grundlage für eine strategisch fundierte Systemauswahl.
Nachhaltige digitale Infrastruktur durch strategisches IT-Management
Letztlich sollte die Auswahl von Unterstützungssystemen nicht als einmaliges Projekt verstanden werden, sondern als kontinuierlicher Prozess, der regelmäßig überprüft und angepasst wird. In der aktuellen Welt ist Veränderung keine vorübergehende Situation, sondern ein Dauerzustand. Technologisch Entwicklungen müssen fortlaufend bewertet werden, um die Balance zwischen Stabilität und Innovation zu sichern.
Die erfolgreiche Auswahl und Einführung neuer Systeme in der Wohnungswirtschaft gelingt also dort am besten, wo technisches Know-how, organisatorische Klarheit und strategische Weitsicht zusammenkommen. Wer frühzeitig Ziele definiert, Entscheidungen methodisch vorbereitet und diese in die langfristige IT-Strategie integriert, schafft die Grundlage für eine nachhaltige, flexible und zukunftsorientierte digitale Infrastruktur.
